In das Heft „Ruhlaer Sagen – Teil 1“ wurden ausschließlich Sagen aus der Sammlung von Ludwig Bechstein „Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes“ aufgenommen. Bechsteins Originalwerk erschien 1835/38, der Ruhlaer Lehrer und Schriftsteller Arthur Richter-Heimbach besorgte 1912 eine textlich bearbeitete Neuausgabe. Deren fünfter Auflage aus dem Jahr 1920 zugegeben wurden die Sagen vom Eisenernen Landgrafen und dem Schmied von Ruhla aus dem Sagenkreis von Eisenach und der Wartburg. Alle wurden mit einer literaturgeschichtlichen Betrachtung vom damaligen Ortschronisten Lotar Köllner versehen.

Das Licht am Steg

Am Wittgenstein, in den die verzauberte Prinzessin gebannt ist, dem Ebertsberg gegenüber, ist ein kleineres Brückchen über das Wasser gebaut. Dort brennt bisweilen, am oberen Ende des Steinstegs, nachts ein einsames Licht, ihn hell erleuchtend, dass nächtliche Wanderer ihn sehen und den Weg erkennen können. Bösen Leuten aber leuchtet solches Licht nicht, und mancher verfehlte schon den Steg und fiel in das Wasser. Einmal ging ein Taglöhner verdrießlich, weil er nur wenig verdient, nach Farnroda heim und sah durch die stockfinstere Nacht das Licht am Stege brennen. Herangekommen, stieß er mürrisch mit dem Fuße an die Kerze, dass sie verlöschte und in das Wasser fiel. Dabei rief er, die Prinzessin meinend, aus: „Licht gibst du mir; das brauch‘ ich nicht. Geld brauch‘ ich; das gibst du andern. Kann den Weg auch im Finsteren finden!“ – Er hatte das kaum gesagt und war kaum zwei Schritte gegangen, so lag er schon im Wasser drin; und solches geschah ihm noch mehrmals in selbiger Nacht, so dass er, ganz und gar durchnässt, erst gegen Morgen nach Hause kam.

Sichern Sie sich Ihr Abo und seien Sie immer informiert, was in unserer Heimat passiert.
Bestellung unter www.ruhlaer-zeitung.de/abo oder 03 69 29 / 15 91 – 00.