So könnte es bald in den Wäldern des Erbstromtals aussehen: Dichte Bambushaine mit heimischer Vegetation. (Symbolbild)
Das exotische Gewächs soll im Erbstromtal angesiedelt werden und dem Kahlschlag in den Wäldern ein Ende setzen.
Der Klimawandel hält nicht nur in ganz Deutschland sondern auch in Thüringen und besonders im Erbstromtal stetigen Einzug, wo die Folgen dieses vorwiegend menschengemachten Eingriffes in die Natur deutlich spür- und sichtbar sind: Untypisch warme und feuchte Winter, die den natürlichen Lebenszyklus einheimischer Tierarten sowie von Zugvögeln durcheinander bringen, gefolgt von zu trockenen und heißen Sommern ohne rettenden Niederschlag für mehrere Tage oder sogar Wochen im Wechsel mit tagelang anhaltenden strömenden Regenfällen, die wertvollen Nährboden in Wald und Wiese wegspülen.
Dieses veränderte Zusammenspiel der Jahreszeiten bedingt einen weiteren Vorgang, welcher besonders in den letzten Jahren verheerende Folgen für unsere Wälder nach sich zog: Ein großflächiges Waldsterben, beschleunigt durch das Wirken des Borkenkäfers, welcher sich vor allem an der im Thüringer Wald weit verbreiteten Fichte zu schaffen machte und für notwendige, jedoch schmerzhafte Notrodungen zur Schadensbegrenzung im Forst verantwortlich gemacht werden kann. Innerhalb gerade einmal eines Jahres starben allein 17 Prozent aller Fichten und ganze 1.000 km2 Wald wurden abgeholzt oder warten auf Rodung. Ein großes Problem steht Forstwirten und Waldbesitzern jedoch im Weg, um die fehlenden Bäume im Landschaftsbild zu ersetzen: Es gibt nicht genug Setzlinge sämtlicher in Deutschland heimischer Baumarten. Doch damit soll nun Schluss sein.
Um dem Mangel an geeigneten Setzlingen entgegenzuwirken und eine abwechslungsreiche und ökologisch vielfältige Mischung an Baum- und Pflanzenarten zu gewährleisten, soll ein regelrechtes Naturwunder aus fernen Landen zum Einsatz kommen: Bambus. Genauer gesagt der Flachrohrbambus aus der Gattung Phyllostachys. Er ist ein unterschätztes Multitalent, denn seine einzigartigen Eigenschaften bringen viele Vorteile für eine Wiederaufforstung unserer Wälder mit sich. Bambus wächst unglaublich schnell und hoch, bis zu zehn Meter mit einem Durchmesser von sieben Zentimetern – und das innerhalb einer Saison. Somit ist er der geeignete Kandidat für eine rasche und unkomplizierte Abdeckung und Wiederherstellung von kahlen Waldlandschaften, Bambus hat einen geringen Anspruch an Nährstoffen in Waldböden, weswegen er beinahe überall wachsen kann, und er wirft tiefe Wurzeln in Rekordzeit, und kann so einer Erosion der Böden und daraus resultierender Nährstoffverarmung und Erdrutschen vorbeugen. Natürlich sollte der Riesenbambus nicht in einer reinen Monokultur angesiedelt werden, denn er zeigt seine wahre Stärke erst, wenn er zusammen mit heimischen Baum- und Pflanzenarten in einer abwechslungsreichen Mischkultur existiert. Durch das rapide Wachstum fungiert er als ein perfekter Katalysator für benachbarte Gewächse, denn seine Wurzeln binden den Boden und seine abgefallenen Blätter fügen Nährstoffe hinzu, wenn sie zerfallen. Zudem füllt er überlastete Böden mit Wasser und Mineralien auf, da er selbst davon relativ wenig verbraucht. Bambus bindet um ein Vielfaches mehr Kohlendioxid als herkömmliche Baumarten, dies sorgt für eine exzellente Klimabilanz und wirkt der Klimaerwärmung durch eine erhöhte Sauerstoffemission entgegen. Natürlich sind die Folgen in der direkten Umgebung zu spüren, die Luft wird klarer, kühler und angenehmer zum Atmen und schafft weiträumige Erholungsgebiete für Mensch und Tier.
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal macht den Bambus in der Zukunft Deutschlands zum Überflieger: Seine hohe Wachstums- und Verbreitungsrate sorgt für einen Überschuss an Nutzmaterial, der der geschädigten deutschen Holz- und Baubranche zu Gute kommt. Bambus ist extrem flexibel und widerstandsfähig, nicht umsonst wird er teilweise sogar mit Stahl gleichgesetzt und ist vor allem in Asien überwiegend in der Architektur zu Hause. Zu guter Letzt profitieren drei dort einheimische, jedoch stark gefährdete Gattungen vom „Bambus-Boom“: Der Große Panda (Ailuropoda melanoleuca) sowie die beiden Unterarten des Kleinen Pandas, der Westliche Kleine Panda (Ailurus fulgens) und Styans Kleiner Panda (Ailurus styani). Mit genügend Zeit und erfolgreicher Ausbreitung von Bambushainen, gemischt mit heimischen Pflanzenarten, werden ideale Bedingungen für eine Ansiedlung und gezielte Populationssteigerung der gefährdeten Tierarten in Thüringens Wäldern geschaffen. Zumal Bambushaine nachgewiesene Auswirkungen wie häufigere Regenfälle auf das lokale Klima haben, in welchem sich Große und Kleine Pandas pudelwohl fühlen werden.
Unter dem Projektnamen „Bambus gegen Waldsterben“ werden sich führende Vertreter und Entscheidungsträger Deutschlands und Chinas, unter anderem der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow, die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke und ihr chinesischer Amtskollege Huang Runqiu sowie Vertreter derer Ministerien am 1. April 2024 in Erfurt treffen, um grundlegende Bedingungen des Projektes zu besprechen und die Förderung durch die Bundesregierung Deutschlands zu beantragen. Bodo Ramelow hatte sich als Vertreter Thüringens für die Vorreiterrolle des Projektes ausgesprochen, da das Bundesland in der Mitte der Bundesrepublik als „Grünes Herz Deutschlands“ mit seiner besonderen Beziehung zum Wald eine hohe Bedeutung für das zukunftsträchtige Verfahren hat und den Weg für alle anderen vom Waldsterben betroffenen Bundesländer ebnen wird. Die „Ruhlaer Zeitung“ wird am Ball bleiben und über den weiteren Fortschritt der Aktion berichten.
Text: E.A. | Fotos: freepik, Pixabay
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